“Hinter der Weltstadt“

…Nun hauste damals tief in der östlichen Kiefernheide, eine Bahnstunde von Berlin, ein lieber Freund mit dem annoch gänzlich indifferenten Namen Gerhard Hauptmann. Hinter seiner Wohnung dehnte sich der Wald, ab und zu durchbrochen vom blanken weißen Spiegel eines flachen Schilfes, zudem der Ufersand gelb wie Dukatengold niederquoll und aus dessen Moorboden die Ruderstange das Sumpfgas wie Selterswasserperlen stieß. Wacholder und Heidelbeeren und dürres Farnkraut. Libellen und Schmetterlinge. Ein Spechtruf und zwei sich jagende Eichkätzchen. Das war nun seine berauschende Landschaft, die man sehen musste, ehe man starb. Aber immer doch eine Landschaft.
Und als wir ein paarmal draußen gewesen waren, fasste uns jener Hunger so übergewaltig, dass wir eines Tages gar nicht mehr zurückkamen, sondern uns eine Station näher ansiedelten, die aber auch noch im Walde lag: in Friedrichshagen. …

…Wie Zwiebelhäute fielen die unterschiedlichen nervösen Weisheiten und exaltierten Weltauffassungen der Großstadt von mir ab und an ihre Stelle trat mit der derberen Schicht Bauernholz, die sich allmählich dafür ansetzte, ein vollständig verändertes Denken und Fühlen. Von dieser Rekreation aus bin ich heute nicht nur der Weltstadt entfremdet, sondern ich meine auch, dass sie ein wahrer Kraken ist, der an unserem geistigen Leben saugt. …

…Vielleicht muss aber vorher auch der letzte ästhetisch fühlende Großstadtmensch noch waldeinwärts gezogen sein, - wie der Dulder Odysseus, den Poseidons Fluch erst lies, als er ins Binnenland wandernd einen Ort fand, wo man das Ruder auf seiner Schulter für eine Worfschaufel hielt.

Friedrichshagen am 1. März 1901
Wilhelm Bölsche